Rallye mit Slipstellen und Torfkähnen

Von Oliver Puncken
Die Teufelsmoor-Rallye geht in die nächste Runde. Nachdem wir auch in den vergangenen Jahren schon dabei waren, sind wir zum Auftakt der Saison auch 2025 wieder auf der Hamme unterwegs. Sie wird durch die Schleuse in Ritterhude von der Lesum und damit von Weser, Nordsee, Atlantik und Amerika getrennt (bzw. verbunden). Klingt zwar spannend, diesseits der Schleuse aber geht es wenig trubelig und eher beschaulich zu. Hier also startet sie, die vom etwa 30km nördlich von Bremen gelegenen Ruderverein Osterholz-Scharmbeck ausgetragene Rallye. Sie führt durch das Kulturland Teufelsmoor bis zur gleichnamigen Schleuse – und damit auf stehendem Gewässer. Sportlicher Ehrgeiz, ruderische Eleganz und der Pokal für das „mannschaftsstärkste Team“ sind uns, der 10-köpfigen Delegation aus dem DRC, egal. Es geht es um eine entspannte Tagesfahrt an diesem verwunschen wirkenden Ort, der geradewegs einem Märchenbuch entsprungen scheint. Das schwarze Moorwasser der Hamme, in dem sich strahlend blaue Himmel spiegelt ist ein Eldorado für Wasserfreunde – jedoch soweit wir das mitbekommen – ohne das Gedränge an Schlauchbooten, SUPs und Leihkanus, das wir an heißen Sommertagen von „unserem“ Gewässer gewohnt sind. Wir wissen also schon vor der Fahrt: so richtig spektakulär wird das nicht, aber wir ergreifen die Chance, zur Ruhe zu kommen, den Moment zu genießen und tief durchzuatmen.

Wir lassen unsere Gig-Doppelvierer „Gilde“ und „Vierer mit Freunden“ dieses mal direkt am RV-Osch zu Wasser und los geht die Tour. Um tatsächlich auf die für eine offizielle Wanderfahrt benötigten 30 Kilometer zu kommen (und um in den Genuss der gesamten Strecke zu kommen), fahren wir zunächst in Richtung Südwesten zur Ritterhuder Schleuse, vorbei an den Motoryachten, die hier irgendwie deplatziert wirken.

Nach der Wende geht es wieder zurück, vorbei am Ruderclub und in die sagenumwobene Moorlandschaft. Nach etwa 3km passieren wir „Melchors Hütte“, eine der zahlreiche Hamme-Hütten, die im 19. Jahrhundert als Umschlagplätze dienten und heute als Ausflugslokal – für Ruderer notfalls als Rastplatz – genutzt werden. Überall entlang des Flusses, der wegen der Schleusen allerdings nicht wirklich fließt, finden sich Spuren der mühsamen Vergangenheit der Region. Mühsam vor allen Dingen, weil das Torfstechen vermutlich noch anstrengender als Rudern war und es an Alternativen fehlte. Darauf deutet schon der Name „Teufelsmoor“ hin, der wohl nichts mit dem Teufel zu tun hat, sondern sich aus dem niederdeutschen „duves (=unfruchtbares) Moor“ ableitet.
Kurze Zeit später kreuzen die Bahngleise des Moorexpress die Hamme. Er verkehrte zwischen Osterholz und Bremervörde, um das weitestgehend unbefestigte Moor an die Außenwelt anzuschließen. Heute allerdings gibt es hier nichts zu sehen. Man munkelt, dass es noch einen spärlichen Güterverkehr geben soll – und sommerliche Sonderfahrten mit historischen Fahrzeugen der Bremervörde-Osterholzer Eisenbahn und der DB (wobei man letztere mitunter ja auch im übrigen Streckennetz finden kann).
Das Gasthaus „Neu Helgoland“ ist ebenfalls eine der alten Hamme-Hütten und liegt an unserer Steuerbord-Seite. Der seltsame Name drückt die Begeisterung darüber aus, dass während der Kolonialzeit die Hochseeinsel Helgoland im Tausch gegen Sansibar aus dem englischen in das deutsche Hoheitsgebiet überführt wurde. Manch einer behauptet auch, dass die Hütte aus der Ferne betrachtet die gleicht Kontur wie die Hochseeinsel annimmt, wenn sie während der winterlichen Überflutungen aus dem Wasser ragte. Der österliche Touristentrubel ist hier inzwischen verebbt – stoppen wir hier lieber nicht nicht und die Klappbrücke neben der Wirtschaft erfordert unsere volle Aufmerksamkeit, denn hier wird es verdammt eng. Wir nehmen Anlauf und gleiten auf das lautstarke Kommando „Skulls lang!“ unfallfrei unter der Brücke hindurch. Am Ufer auf der anderen Seite der Brücke befindet sich neben einem kleinen Sandstrand noch die Torfkahnwerft mit dem öffentlichen Anleger. Hier starten sie, die genannten Torfkahnfahrten. Ein paar 100 Meter weiter endet die Aufregung und wir tauchen wieder ein in die weite Landschaft der Hammeniederung. Wir lassen das Vogelschutzgebiet „Breites Wasser“ an Backbord liegen und erfreuen uns des sprießenden Grüns. Am Ufer entdecken wir Störche, Rehe und Kühe.
Über den sich dahin schlängelnden Fluss kommen wir ich schließlich am Gasthof Schamaika an, wo wir auch bei den vergangenen Fahrten schon unsere Halbzeitpause eingelegt haben. Erfrischt machen wir uns dann zügig wieder auf den Weg in Richtung Bratwurst. Der Bedarf an leckerem Grillgut scheint da zu sein, denn die „zehn Dicken“ während der Rückfahrt befördern den Steuersitz samt Personal glatt aus der Halterung – Hunger unter Ruderern halt…

Die Fahrt endet an unserer  altbewährten Slipstelle im engen Hafenkanal. Wie der Name vermuten lässt, verbindet er den Hafen von Osterholz-Scharmbeck mit der Hamme. Der winzige Hafen war vor über 250 Jahren ein wichtiger Umschlagspunkt für das Torf aus dem Teufelsmoor, der von hier in Richtung Bremen weiter transportiert wurde. Der zugehörige Kanal lässt diese Schlüsselfunktion kaum vermuten – ein Ruderboot passt gerade so mit „ohne Kraft“ hindurch und vom Steg bis zur Einmündung in die Hamme sind es geschätzt gerade einmal 500 Meter. Die alten Torfkähne sieht man jedoch gelegentlich auch heute noch bzw. wieder. Allerdings mit Motor statt Segeln und mit Touristen statt Torf.

Wir verlassen das Moor etwas erschöpft zwar, aber mit guter Laune. Nach der langen Winterpause war die Ausfahrt ein Genuss und wir danken Fahrtenleiter Ecki für die gar magischen Stunden in eines der letzten mehr oder weniger intakten Moore Niedersachsens.

 

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