Unsere Olympia-Bilanz geht über mehr als ein 2.000-Meter-Finale

Die Olympische Ruderregatta von Tokio ist Geschichte. Der dramatische und enttäuschende Ausgang von Carlottas Doppelvierer-Finale am Mittwochmorgen hat uns alle fassungslos und mindestens zeitweise auch sprachlos gemacht. Carlotta verfehlte ihr  großes Ziel, ihr Traum ausgeträumt, die sicher geglaubte Medaille weg. Das erhoffte Edelmetall, Carlottas mehr als verdiente Belohnung für fünf Jahre mehrfach tägliches Training, Plackerei, Entbehrungen, ihren Umzug nach Berlin, viel Verzicht und viel Stress und Schweiß – das alles im wahrsten Sinne des Wortes binnen Bruchteilen von Sekunden „versenkt“ durch zwei „Krebse“ kurz vor dem Ziel. Was für eine Tragik!

Carlotta – unsere engagierte Kämpferin
Wir alle waren am Mittwoch zunächst schockiert. Dann haben wir uns gefragt: Wie war das möglich? Wie konnte das passieren? Wie kommt Carlotta mit diesem brutalen Tiefschlag zurecht? Nicht vergessen sollten wir dabei aber: Losgefahren ist Carlotta an jenem für sie dramatisch endenden Mittwochmorgen im Finale vom Startponton in Tokio mit wuchtigen Zügen. Sie hat sich fokussiert ins Zeug gelegt für ihr sportlichen Ziel, ihren sportlichen Traum. Carlotta zog an ihren Skulls als eine starke Frau, als eine kluge und selbstbewusste Persönlichkeit, als eine aufrechte, faire und kämpferische Ausnahmeathletin, die nicht nur die Werte unseres Ruderleistungssports, sondern darüber hinaus die Werte unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft auch außerhalb ihres Bootes engagiert vertritt und verkörpert.
Das alles bleibt. Daran hat sich durch das tragische Ereignis nach perfekten 1.800 Metern überhaupt gar nichts geändert. Carlottas Blick nach vorn mit oder ohne Rudern, trotz oder dank dieser bitteren Erfahrung im Olympia-Finale wird so klar und kämpferisch, so aufrecht und optimistisch, so zielstrebig und fokussiert sein und bleiben wie rund sechs Minuten zuvor am Startponton.

Größter Erfolg seit 1996
Carlottas Final-Drama kann im Rückblick für uns, die DRC-Clubfamilie, deshalb nur folgendes bedeuten: Schauen wir genau hin zu unseren Leistungssportler*innen und machen wir uns bewusst, was für außergewöhnliche und herausragende Persönlichkeiten wir im DRC haben. Und damit meine ich nicht nur Carlotta, sondern zum Beispiel auch die erfolgreiche A-Juniorin genauso wie den Nachwuchs-Vizeweltmeister, jede und jeden für sich. Wir sollten uns jeden Tag freuen, diese Ausnahmeathlet*innen ein Stück weit auf ihrem Weg zu begleiten und sie zu unterstützen. Lasst uns deshalb unsere Leistungssportler*innen in den Arm nehmen, sie herzen, ihnen auf die Schultern klopfen und sie feiern – bei ihren Erfolgen genauso wie bei ihren Niederlagen.
Es ist deshalb höchste Zeit, unsere Sprachlosigkeit zu überwinden: Carlotta gebührt unser Dank, unser Respekt und unsere Anerkennung für ihren bisherigen sportlichen Weg, ihre Leistungen und Erfolge. Mit den Weltbesten hat sie sich in Tokio gemessen – und wir alle gratulieren ihr deshalb herzlich zum 5. Platz bei Olympischen Spielen, übrigens der besten Platzierung für eine/n DRC-Ruderin/Ruderer bei Olympia, und niemand aus Hannover war besser seit einem Vierteljahrhundert!

Christian Held („Otto“)
Vorsitzender Sport
DRC von 1884 e.V.

 Foto: Merijn Soeters

2 thoughts on “Unsere Olympia-Bilanz geht über mehr als ein 2.000-Meter-Finale”

  1. Danke Christian, dass Du das Drama von Tokio in dieser wunderbaren Weise eingeordnet hast! Das tut gut und lenkt den Blick auf das, worauf es am Ende wirklich ankommt!

  2. Ich denke gar nicht mehr an das tragische Ende sondern immer nur an die fantastische Leistung dieses Bootes mit den unglaublich ehrgeizigen Athletinnen. Sie sind für mich die zweitbesten Ruderinnen bei den Olympischen Spielen in Tokio. Wir konnten doch alle miterleben mit welcher Kraft und Willen diese Sportlerinnen dem Ziel so nahe waren.
    Eine ganz ganz tolle Leistung bei der man sieht dass sich die 5 Jahre bei Carlotta doch sehr gelohnt haben. Ich ziehe meinen Hut und verneige mich vor dieser sportlichen Leistung. Viel Glück liebe Carlotta weiterhin und bleib gesund. Du bist ein tolles Vorbild für den Nachwuchs. Ich fiebere weiterhin mit dir und deinen Leistungen mit. Kiki

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